B E R N E R O B E R L Ä N D E R
10.8.2017
Adelboden
Klarheit im Gesetzedschungel
Adelboden Bei einem von der Universität Bern organisierten Symposium versuchten verschiedene Experten, mehr Klarheit in die zum Teil komplizierten Gesetzesartikel des Zweitwohnungsgesetzes zu bringen. Als Kommentar dazu wird nun eine umfassende Erläuterung veröffentlicht.
Herbert Kobi
10.08.2017
In der Schweiz gibt es etwa 500’000 Zweitwohnungen. Diese befinden sich grösstenteils in den vom Tourismus geprägten Kantonen Graubünden, Wallis und Tessin sowie in der Waadt und im Kanton Bern.
Die für die Tourismusorte schockierende Annahme der Zweitwohnungsinitiative mit 50,6 Prozent Ja-Stimmen zog Konsequenzen nach sich, auch für das Berner Oberland und insbesondere für Adelboden. Keine Frage, dass das Symposium vom letzten Freitag im Hotel Alpina Vertreter der Gemeindebehörde anzog, die sich mit ausgewiesenen Juristen über dieses Thema austauschen konnten.
Anwendung ab 20 Prozent
Nebst den Referenten wie Prof. Dr. Stephan Wolf und Prof. Dr. Beat Stalder von der Universität Bern, Dr. Aron Pfammatter, Rechtsanwalt und Notar aus Brig,
Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt aus Innsbruck,
äusserten sich auch Ariane Nottaris, Regierungsstatthalter-Stellvertreterin Frutigen-Niedersimmental, der Adelbodner Bauverwalter Markus Inniger und Tourismusdirektor Urs Pfenninger zu den lokalen und regionalen Problemen.
Gemäss Art. 75 b der Bundesverfassung ist der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 Prozent beschränkt. Das Gesetz verpflichtet die Gemeinden, ihren Erstwohnungsanteilsplan und den detaillierten Stand seines Vollzugs alljährlich zu veröffentlichen.
Nach Aussagen von Stephan Wolf weisen 422 von 2255 Gemeinden per Ende 2016 einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent auf und sind damit der Gesetzgebung unterstellt, darunter Adelboden mit 61,8 Prozent.
Laut Aron Pfammatter betreffe es im Kanton Bern circa 45 Gemeinden, die meisten im Oberland. Auch sogenannte Liftgemeinden, das heisst solche, die sehr nahe an der 20-Prozent-Grenze liegen, gibt es einige, darunter Aeschi (20,34%) und Innertkirchen (19,93%). Es müssen aber alle Gemeinden jährlich überprüft werden.
Auffallend sei ausserdem, dass seit der Gesetzeseinführung in einzelnen Gemeinden der Prozentsatz durch Umnutzungen stark gesunken sei, erklärte Ariane Nottaris. «In Krattigen fiel der Anteil von 30 auf 15,6 Prozent.»
Für den Ganzjahrestourismus
Um die Situation in Adelboden zu beruhigen, wies Urs Pfenninger noch einmal auf das Projekt der Tourismusorganisation und der Gemeinde hin. «Um den Wegzug der Baufirmen zu verhindern, wollen wir gemeinsam Zweitwohnungsbesitzer zur Sanierung ihrer Liegenschaft bewegen.» Wer bei der Renovation das lokale Gewerbe berücksichtige und die Wohnung anschliessend für mindestens drei Jahre vermiete, käme dann in den Genuss von Gratisdienstleistungen.
«Wir wollen somit einen Ganzjahrestourismus entwickeln», so Pfenninger. Der im Rahmen der Diskussion aufgeworfenen Frage, ob man in Adelboden wie in Gstaad vorgehen und den Dorfkern entvölkern und umnutzen soll, widersprachen der Bauverwalter Markus Inniger und Gemeindeobmann Markus Gempeler.
Es zeigte sich offensichtlich, dass das Gesetz immer noch schwer verständlich und zum Teil nicht nachvollziehbar ist. Als Beispiel dient Art. 8 Abs. 3 ZWG, der von Bundesrätin Doris Leuthard, auch einer Juristin, für die meisten Gemeinden als zu kompliziert erachtet wird. Daher ist es durchaus sinnvoll, dass die einzelnen Gesetzesartikel durch Sachspezialisten im aktuellen Handkommentar (siehe Kasten) verständlicher gemacht wurden.
Ein Buch zum Thema
Anlässlich des Symposiums fand die Buchvernissage mit einer Laudatio von Fürsprecher Stephan Grieb von der Stämpfli Verlag AG aus Bern statt. Mit einem Dankeschön an die Herausgeber Stephan Wolf und Aron Pfammatter, aber auch an die Mitautorinnen und -autoren Ernst Hauser, Christoph Jäger, Fabian Mösching, Isabelle Nuspliger und Beat Stalder wurde der Handkommentar über das Zweitwohnungsgesetz (ZWG), unter Einbezug der Zweitwohnungsverordnung (ZWV), in Adelboden erstmals vorgestellt. Die Autoren des Werks sind ehemalige Absolventen und teilweise auch heutige Angehörige der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Bern. hka
Buchpreis 148 Fr. ISBN 978-3-7272-5162-7